Freitag, 7. Dezember 2012

Namibia, Teil 2: Zu Fuß auf Nashorn-Pirsch

Das wollen wir sehen: Spitzmaulnashorn in freier Wildbahn (Foto: © Maike Grunwald)
(Reise, Namibia, Maike Grunwald) Gleich geht es auf Nashornpirsch in die menschenleere Wildnis! Der Dress-Code stimmt schon mal: Wir tragen unauffällige Buschklamotten in Sand- und Khakifarben, kein Weiß, keine leuchtenden Farben, nichts, was die scheuen Tiere erschrecken könnte. Werden wir die seltenen Kolosse sehen? Und wenn ja - was dann?

Zwei Furchtlose: Chris mit seinem einäugigen Hund (Foto: © Maike Grunwald)
Bevor es losgeht, treffen wir den - auch ziemlich exotisch anmutenden - Abenteurer Christiaan Bakkes im "Wohnzimmer"-Zelt des Desert Rhino Camp, wo wir heute übernachten. Der bekannte Ranger, dem 1994 im Krüger-Nationalpark ein Krokodil den linken Arm abriss, arbeitet für "Wilderness Safaris" und ist als so genannter "Warden" für das 450.000 Hektar große Palmwag-Konzessionsgebiet zuständig.
Süß: Das Steinböckchen, eine Zwergantilope (Foto: © Maike Grunwald)
"Hier ist das wahre Afrika, die echte Wildnis, intakte Natur!", schwärmt der gebürtige Südafrikaner. Der 47-Jährige muss es wissen: "Seit 25 Jahren lebe ich im Busch", sagt er grinsend. In den Achtzigerjahren machte er in der Region Caprivi Jagd auf Wilderer an der Grenze zu Angola.  

Was die Gegend hier, im Nordwesten Namibias, für ihn so besonders macht? "Die Tiere, die hier leben, wurden nicht erst ausgerottet und dann wieder hergebracht. Sie waren schon immer da, seit Anbeginn der Zeiten. Und: Sie leben frei! Es gibt keinen Zaun von hier bis zur Küste." Nur einige "No Entry"-Schilder in der Wüste markieren das Palmwag-Gebiet.
Im Palmwag-Gebiet sind sogar die leckeren Springböcke sicher: Jegliche Jagd ist verboten. "Auch legale Jagd ist oft schädlich", hat Chris beobachtet (Foto: © Maike Grunwald)

Anders als in vielen der umzäunten Wild- und Nationalparks, wo man den Tieren manchmal näher kommt als im Zoo, geht es hier um das wilde, einsame, authentische Natur-Erlebnis. An oberster Stelle steht der Schutz der bedrohten Spitzmaulnashörner - in enger Zusammenarbeit mit der örtlichen Bevölkerung. "Unsere Tracker sind Jungs von hier, die das Spurenlesen beim Ziegenhüten gelernt haben", sagt Chris. 

Nicht selten sind es die Söhne ehemaliger Wilderer, die nun ihren Lebensunterhalt mit Naturschutz und Tourismus verdienen. Ausgebildet werden sie von Simson Uri Khob vom "Save The Rhino Trust", der in London Biologie studiert hat. 28 Angestellte arbeiten für die Schutzorganisation. "Ihre Familien profitieren davon, die ganze Gemeinde, das sind Hunderte von Menschen", so Simson Uri Khob.

Tracker Dansikie Ganaseb, zuständig für statistische Erfassung, Beobachtung und Schutz der seltenen Nashörner (Foto: © Maike Grunwald)

"Unsere Tracker arbeiten nicht mit Satellitentechnik, sondern mit dem Fernglas", sagt Chris - und sie tragen keine Waffen, auch das ist ungewöhnlich bei Safaris zu Fuß. "Touristen können sie begleiten und sehen, wie die letzten frei lebenden Spitzmaulnashörner geschützt werden. Das ist keine Nashorn-Safari, sondern eine Nashornschutz-Safari."

Das Wichtigste sei, die von Natur aus besonders nervösen Spitzmaulnashörner nicht zu stören: "Wir sagen den Touristen: Habt Verständnis, dass wir nicht näher an die Tiere rangehen. Lieber ziehen wir uns zurück, als ein Nashorn durch die Hitze zu hetzen, nur für ein gutes Foto. Das wäre kein Naturschutz mehr", sagt Chris. Solche Störungen können sogar lebensbedrohlich für Nashörner sein, betont Simson Uri Khob. Es gibt daher auch keine Geld-Zurück-Garantie für eine Sichtung, obwohl die Chancen sehr gut stehen: "Dies ist weltweit der einzige Ort, wo man die letzten frei lebenden Spitzmaulnashörner sehen kann", so der afrikanische Biologe.
"Unser" Land Rover vorm Desert Rhino Camp (Foto: © Maike Grunwald)

Es bleibt also spannend, als wir am späten Nachmittag mit Dansikie Ganaseb, Tracker beim "Save the Rhino Trust", in den Land Rover steigen. Werden wir die dämmerungs- und nachtaktiven, gut getarnten Tiere, die noch scheuer sind als Breitmaulnashörner, überhaupt sehen? Und wenn ja: Wie wird das tonnenschwere Tier reagieren? Ein wütendes Spitzmaulnashorn kann mehr als 50 Stundenkilometer schnell sein - und wir stehen ihm zu Fuß gegenüber!

"Knows his shit": Douw Steyn benutzt sonnengetrocknete Hyänenscheisse als Kreide, um zu demonstrieren, wie kalkhaltig sie ist - durch die Knochen in der Nahrung (Foto: © Maike Grunwald)
Die Tipps unseres allwissenden, aber leicht verrückten Guides Douw Steyn, der mit von der Partie ist, klingen jedenfalls eher originell als beruhigend. "Steine werfen und laut schreien" sollen wir, wenn uns ein Nashorn angreift. Hm...

Landschaft mit Springböcken (Foto: © Maike Grunwald)

Zunächst sind wir ja noch im Fahrzeug und genießen die wunderschöne Landschaft, die allein schon einen Besuch wert ist. Dieses Licht! Dansikie hält mit dem Fernglas Ausschau, Douw fährt. Zwischendurch steigt Douw aus und zeigt uns, woran man Spitzmaulnashorn-Mist erkennt: An den kleinen unverdauten Zweigen, gekappt in einem ganz bestimmten Winkel von etwa 45 Grad. "Daran erkennt man sie, denn Breitmaulnashörner essen nur Gras, und Wüstenelefanten beißen Zweige nicht in diesem präzisen Winkel ab", sagt er.

Oryx-Antilopen, Namibias Wappentier (Foto: © Maike Grunwald)

Wir finden frische Nashorn-Fußabdrücke und folgen ihnen im Land Rover. Plötzlich zeigt Dansikie nach links in die Büsche und sagt aufgeregt etwas auf Afrikaans. Wir sehen einen Schatten fliehen. Der Wind steht ungünstig, er trägt unseren Geruch direkt zum Nashorn. Wir fahren ein Stück weiter, bis der Wind besser steht. Dann steigen wir aus und folgen unserem Guide, artig in der Gruppe, damit wir ähnlich wie ein Busch aussehen. Dansikie ist schon vorgegangen.
Schüchterne Kudu-Antilope (Foto: © Maike Grunwald)
"Wenn ich sage: 'Werft euch hin', dann tut, was ich sage", weist uns Douw an. Ist es wirklich eine so tolle Idee, was ich hier tue?, frage ich mich zwischendurch, als ich mit meinem Kamerastativ durch die steinige Wüste stolpere, sehr darauf bedacht, nicht gegen einen der vielen giftigen Wolfsmilch-Büsche zu stoßen.
Den giftigen "Milk Bush" (Besenwolfsmilch, Euphorbia Damarana) darf man nicht berühren. Nashörner können ihn aber essen! (Foto: © Maike Grunwald)

Dann erspähen wir den Tracker, wie er regungslos am Boden sitzt, das Fernglas in der Hand. Als wir näher treten, sehe ich mein erstes wirklich frei lebendes Nashorn! Und das auch noch ganz pur, zu Fuß. Ein tolles Erlebnis, nicht zu vergleichen mit meiner ersten "Safari" in einem Wildpark bei Kapstadt, wo sich um jedes Nashorn mehrere Jeeps voller Touristen drängten.

Ganz still steht das Urtier da im Schatten eines Mopane-Baums, nur gute 100 Meter entfernt. Es kann uns nicht sehen, wie wir regungslos am Boden hocken in unseren Buschklamotten. Nashörner sind so gut wie blind, dafür sind Gehör und Geruchssinn sehr gut ausgebildet.

Seine Ohren drehen sich ständig, aber es bleibt, wo es ist. Wir sind leise und der Wind steht gut. Hektische Bewegungen sind tabu.
Tido, der Spitzmaulnashornbulle (Foto: © Maike Grunwald)

Es ist ein männliches Nashorn, etwas über 20 Jahre alt, wird uns Dansikie später im Camp erzählen, als er die Sichtung in sein Buch vermerkt. Tido heißt der Bulle, leicht zu erkennen an dem ungewöhnlich großen hinteren Horn. Der Tracker ist überglücklich, seit Jahren hat er das Tier nicht gesehen. 

Still beobachten wir es durch Fernglas und Teleobjektiv. Nichts ist zu hören als der Wüstenwind und das leise Klicken des Kamera-Auslösers. Die Zeit scheint still zu stehen. Wir genießen den Moment. Dann lassen wir Tido in Ruhe und gehen langsam zurück zum Wagen, noch ganz überwältigt von dem Erlebnis.

Und dann, auf der Rückfahrt zum Camp, haben wir noch einmal so richtig dickes Glück: Wir sehen unsere ersten Wüstenelefanten!
Scheue Wüstenelefanten: Die Mutter stellt sich schützend vor ihr Kalb. Mit dem GPS-Halsband, das man hinter ihrem Kopf sieht, werden ihre Wege erforscht (Foto: © Maike Grunwald)
Wüstenelefanten sind wahre Überlebenskünstler. Sie haben sich so gut an die schwierigen Bedingungen ihres trockenen Lebensraums angepasst, dass manche Biologen sogar meinen, sie sollten als eigene Elefantenart klassifiziert werden.
(Foto: © Maike Grunwald)
Normalerweise sieht man Wüstenelefanten eher in den ausgetrockneten Flussbetten, wie etwa im Hoanib, wo wir in zwei Tagen campen werden. Aber wir Glückspilze sehen sie schon hier an einer Quelle. Sie sind Menschen nicht gewöhnt, und ich bin froh, ein Teleobjektiv dabei zu haben. Ich steige aus dem Wagen, um jetzt auch den Elefanten wirklich gegenüber zu stehen. Meine Füße stehen auf demselben Grund wie ihre - ein tolles Gefühl.
(Foto: © Maike Grunwald)
 Bevor es dann zurück ins Desert Rhino Camp geht, genießen wir noch einen "Sundowner" mitten in der Wüste: Bei gekühlten Drinks sehen wir zu, wie die Sonne untergeht. Zurück in der Lodge wartet schon das Abendessen auf uns. Meins ist vegetarisch und sehr lecker. Wieder einmal fühle ich mich wohl dabei, das Tiere-Essen den Tieren zu überlassen, die es zum Überleben wirklich brauchen. 

Es wird kühl in den Wüste, aber am Lagerfeuer ist es sehr gemütlich - der perfekte Ausklang eines unvergesslichen Tages. 

Morgen brechen wir zu einem neuen Abenteuer auf. Wir werden mitten in der Wildnis zelten, irgendwo zwischen Löwen und Hyänen. Mehr dazu im nächsten Teil!


Flashback: 

Namibia, Teil 1: Mit der Cessna in die Wildnis


Links:

Spitzmaulnashorn-Schutz: Die NGO "Save The Rhino Trust" ist dringend auf Spenden angewiesen. Man kann sogar ein frei lebendes Nashorn "adoptieren", rund 2000 Euro im Jahr kostet sein Schutz.

Hochspezialisierte Pflanzen in Namibia: Gute Website der Uni Stuttgart

"Communal Conservatories": Wildtier-Schutz durch Einheimische als Tourismuskonzept
 
Reisen in die Wildnis der Palmwag-Konzession: Der deutsche Reiseveranstalter Elefant Tours bietet maßgeschneiderte Safari-Touren an.

Namibia: Mehr Infos auf den offiziellen Seiten des Namibia Tourism Board

Die Reise wurde unterstützt von Namibia Tourism Board, Elefant Tours und Air Namibia.