Mittwoch, 3. Juni 2015

Danzig-Geheimtipps, Teil 1: Strandidylle in Brzezno

Wunderschön: Der Strand von Brzezno (Foto: © Maike Grunwald)
(Reise, Danzig, Polen, Maike Grunwald): Faulenzen am Strand - das ist sicher nicht das erste, woran man bei einem Städtetrip nach Danzig denkt. Die alte Hansestadt ist bekannt für ihre Geschichte und Kultur, die schönen Fassaden der Innenstadt, das Bernsteinmuseum, den Neptunbrunnen... Das alles muss man gesehen haben. Aber auch die Viertel abseits der Touristenpfade! In Teil eins der Insidertour durch das geheime Gdansk nehme ich Euch mit in an den Strand im Stadtviertel Brzezno, das im 19. Jahrhundert das Ostseebad Brösen war.

  Morgenspaziergang am Strand von Brzezno (Foto: © Maike Grunwald)


"Warum habt Ihr Euch denn ausgerechnet in Brzezno ein Zimmer genommen?", fragt uns Anderl, als er uns abends vom prächtigen Hauptbahnhof in der Danziger Innenstadt abholt. "In Zoppot hättet Ihr auch direkt am Strand wohnen können, und dort gibt's jede Menge Nightlife!" 

Als wir ihm erklären, dass wir gerade jetzt in der Hochsaison NICHT in den bekannten, schönen, aber doch sehr trubeligen Badeort absteigen wollen, um uns dann mit anderen deutschen Touristen Handtuch an Handtuch am saisonal vollen Strand rumzutummeln, zieht er die linke Augenbraue hoch und schweigt höflich. So richtig, denke ich, versteht er uns jedenfalls nicht - zu sehr liebt er den turbulenten Badeort Sopot (deutsch: Zoppot), der zusammen mit Gdansk (Danzig) und Gdynia (Gdingen) die so genannte "Dreistadt" bildet. 

Vorreiter für Zoppot: Das alte Seebad Brösen



Und ja, Sopot IST schön! Aber wir sind vom ersten Tag an begeistert von Brzezno, so unaussprechlich dieser prall mit Konanten gefüllte Ortsname auch ist für unsere armen gemarterten deutschen Zungen. Kleiner Trick: Das "r" wird nicht ausgesprochen! "Bscheschno" kommt der Aussprache recht nahe.

Leider in schlechtem Zustand: Das alte Kurhaus von Brzezno (Foto: © Maike Grunwald)
 
Im 19. Jahrhundert war Brösen ein eigener Badeort, gegründet von dem Arzt Johann Georg Haffner, Pionier der damals revolutionären Badekultur und Gründer des Kurorts Zoppot. "Brösen hat er sogar früher gegründet", erzählt uns Anderl später. "Das lief anfangs aber nicht so gut - die Leute dachten damals noch, Baden sei schlecht für die Gesundheit."


Das alte Kurhaus von Brzezno (Foto: © Maike Grunwald)
Erst, als die reichen Danziger in Zoppot ihre Wochenendhäuser bauten, wurden Badeorte beliebt. Das Brösener Kurhaus steht noch, ist aber verfallen. Neben den alten Brösener Häusern bestimmen Plattenbauten das leicht heruntergekommene, ruhige Wohnviertel. Ich finde das authentisch, Anderl hingegen nur grauslich. 

Dass hier nachts nichts los ist, verleiht Brzezno spätabends zugegebenerweise eine etwas unheimliche Atmosphäre, wenn man nach einer ausgedehnten Tour durch die Innenstadt von Danzig oder Zoppot durch die dunklen, verlassenen Straßen radelt. Vor allem das kurze Stück an der Plattenbausiedlung zwischen der Danziger Altstadt und unserem Gästehaus in Brzezno war - naja. Alleine und zu Fuß wäre ich dort sicher nicht gern langgelaufen. Richtiggehend unwohl haben wir beiden Mädels uns allerdings in Brzezno auch spätabends nicht gefühlt, und vor allem: Nachts ist es hier wirklich ruhig! Praktisch, wenn man im Urlaub endlich mal ordentlich schlafen will. Nachtleben haben wir ja auch genug zu Hause in Berlin. Oder nur eine Radfahrt entfernt in Zoppot oder dem Zentrum von Danzig. 

Das geheime, stille, vergessene, leicht verfallene und auf jeden Fall authentische Wohngebiet direkt am Strand war für uns genau das Richtige. Und so waren wir sehr glücklich mit unserer Entscheidung - zum Erstaunen von Anderl, der sehr gerne in der Innenstadt von Danzig lebt und das trubelige Nightlife von Sopot (hier seine Lieblings-Locations!) besser kennt als andere Leute ihre eigene Westentasche..

Insider-Tipps von einem Danziger, der bairisch spricht


Anderl muss ich Euch unbedingt vorstellen. Sein richtiger Name ist Andreas Kasperski, 43 Jahre alt, geboren in Danzig im gleichen Krankenhaus wie Günter Grass. Von Beruf - eher von Berufung - ist er deutschsprachiger Fremdenführer mit Leidenschaft. Wahrscheinlich der beste in Danzig. Oft führt er Journalisiten durch seine Heimatstadt: NDR, Spiegel Online, Reisetageblog - er hatte sie alle. Er weiß, wie man ein Flugzeug für Luftaufnahmen für "Mare-TV" organisiert, kennt interessante Protagonisten und posiert ohne zu klagen für lebendige Fotos. Seit einer Weile bietet er individuell zugeschnittene Drei-Städte-Touren mit dem Auto für deutsche Touristen an. 



Seine deutschen Wurzeln reichen tief und treiben verrückte Blüten bis in die Gegenwart. Er liebt Currywurst und Paulaner. Skurrilerweise hat er einen starken bairischen Akzent, der so gar nicht hanseatisch klingt. Den hat er - wie seinen Spitznamen - von seinem besten Freund, dem Schnucki, den er kennen lernte, als er gleich nach Öffnung der Grenzen für eine Weile nach Würzburg zog. Bis heute telefonieren die beiden jeden Tag.

Ein Bayer, gefangen im Körper eines Danzigers: Anderl zeigt uns die Stadt (Foto: © Maike Grunwald)

Stadt UND menschenleerer Strand - die perfekte Kombi!


Ich bin mit meiner alten Studienfreundin Christiane unterwegs, die ich über Facebook nach Jahren wiedergetroffen habe. Unser Plan: Stadt- UND Badeurlaub! 


Faul sein in Brzezno (Foto: © Maike Grunwald)


Unser erster Tag in Danzig beginnt tatsächlich an einem fast menschenleeren Strand. Und das im August, mitten in der Hauptsaison, wenn ganz Polen geschlossen Schulferien hat! Ganz zu Schweigen von halb Deutschland und Europa.

Brzezno am Morgen (Foto: © Maike Grunwald)
Okay, es war erst neun Uhr morgens, als wir von unserer Unterkunft direkt am Strand ans Wasser liefen. Aber auch am frühen Nachmittag, wenn am beliebten Strand des alten Seebads Sopot nebenan der Bär los ist, hat man im Brzezno Platz und Ruhe. Das weiß ich, weil wir dann immer noch faul im Sand rumliegen, nach einem Bad in der überhaupt nicht kalten Ostsee. Dabei sind wir eigentlich mit Anderl verabredet, der uns seine Stadt zeigen will - irgendwann heute... Aber das Meeresrauschen lullt uns ein ... und der warme Sand ist so gemütlich... Das ist das Gefährliche an diesem Strand: Man kommt nicht mehr weg!

Brzezno am Nachmittag - im Hintergrund die Skandinavien-Fähre (Foto: © Maike Grunwald)

Urlaubs-Idylle an der Danziger Bucht


Um uns herum herrscht entspannte Urlaubsstimmung. Niedliche, wohl erzogene polnische Kinder bauen Sandburgen mit ihren Eltern (die - im Gegensatz zu den Prenzlauer-Berg-Muttis bei mir zu Hause - wirklich mit ihnen spielen, anstatt mit der Studienfreundin am Handy zu quatschen, während das Kind Aufmerksamkeit heischend in der Gegend rumkreischt). 

Sandburgen-Bau in Brzezno: Herr Tomek und Sohnemann aus Torun in Zentralpolen (Foto: © Maike Grunwald)
Hier hört man nur polnisch - Dschbschhnschhh Schmassnego wdschedsch Tdschinkuje bschnschnschnbs ... Oder so ähnlich klingt das. Ich kann die Sprache nicht, in meinen Ohren ist sie nichts weiter als angenehmes, einlullendes Gesäusel. Man fühlt sich gleich doppelt im Urlaub, wenn man nichts versteht. Nur einmal hören wir Deutsch im Hotel: Agnieszka, die Brzezno aus ihrer Studienzeit kennt, legt mit mit ihrem deutschen Mann Markus ein paar Strandtage ein, bevor es weiter auf Familienbesuch geht. 

In Brzezno gibt es fast nur polnischische Touris. Ausnahme: Das polnisch-deutsche Paar Agnieszka und Markus aus Stuttgart (Foto: © Maike Grunwald)

Hübsche Frauen sammeln bunte Muscheln, glückliche Familien essen Sonnenblumenkerne direkt aus der Blüte, hierzulande ein beliebter Strand-Snack. Ich sehe der Skandinavien-Fähre zu, die durch die Bucht an die Danziger Anlegestelle gleitet. Einzelne Segelbote fahren am Horizont entlang. Neben mir ist Christiane eingeschlafen. 

Muscheln und Waffeln am Strand


 Strand-Stilleben (Foto: © Maike Grunwald)
 Ein paar Hundert Meter weiter ist schon mehr los: Eine Strandbar (das Personal spricht Englisch) und kleine Fischrestaurants, Stände mit "Gofry" (Waffeln) und Softeis, das gefühlte zwei Meter hoch aufgetürmt ist - das alles liebe ich an der polnischen Ostsee!

 
Extrem lecker: Polnische Waffeln! (Foto: © Maike Grunwald)

Am Strandaufgang Nr. 50 (wir sind an der 39) ist auch der Fahrradverleih, in der wir uns quietschgelbe Räder ausleihen, als wir uns endlich von der Strandidylle losgerissen und schnell geduscht haben (das ist das Tolle an einer Unterkunft direkt am Strand: Man kann nach dem Meerbad schnell duschen und in die Stadt). Mit dem Fahrad sind es von hier nur knapp 30 Minuten in die Innenstadt, wenn man man gemütlich fährt. "Die Radwege sind super, sie sind ganz neu angelegt", hat uns Anderl gestern erzählt. Er wartet schon auf uns: Mit einer Tour durch das berühmte Danzig und die geheimen Viertel abseits der Touristenpfade. Davon mehr demnächst hier auf meinem Reisetageblog!

Tipps & Infos zum Urlaub in Danzig


An- und Abreise mit der Bahn
Von Berlin gibt es Direktverbindungen mit der Deutschen Bahn nach Danzig, Dauer: sechs Stunden durch zauberhafte Landschaft (mit dem Flugzeug dauert es fast genauso lange, wenn man die Warterei und die längere Anfahrt einrechnet). Preis: unschlagbar günstige ca. 100 Euro hin und zurück (mit Bahncard und Sparpreisen noch weniger). Tipp: Unbedingt in den Speisewagen gehen! Dort gibt es preiswerte polnische und internationale Gerichte aus einer echten Küche (nicht nur aus der Mikrowelle). Und aus dem Fenster gucken! Wir haben viele Störche und Kraniche gesehen, in wunderschöner Landschaft. www.bahn.de


Unterkunft in Brzezno
Baltic Guest House: Sehr preiswerte, ruhige Pension fast direkt am Strand. Einfach, aber sauber und ganz neu, schlicht und modern eingerichtet. Kein Frühstück, aber kostenloser Kaffee und Tee. Zimmer werden nur auf Anfrage während des Aufenthalts gesäubert, was auch Vorteile hat (Zimmermädchen platzt nie rein). Minimale Mängel (Schlüssel schwer zu drehen etc.), aber völlig ok für den Preis. Freundlicher Service. 24-Stunden-Rezeption. 
Gute Lage: Ca. 400 m durch einen bewaldeten Park (mit Outdoor-Stepper u.a. Fitnessgeräten!) an den Strand (Aufgang 39 - die nächste Strandbar ist an der Nr. 41). Ca. 20-30 Min. mit dem Rad in die Innenstadt (gute neue Radwege), 20 Min. mit der Tram oder mit dem Taxi (beides im Vergleich zu Deutschland sehr günstig).

Picknick-Brunch
Viel besser als Frühstück im Hotel: Picknick am Strand! Direkt neben dem Guest House ist eine kleine Markthalle mit Bäckerereien und kleinen Geschäften, in denen man frische Zutaten für ein leckeres Brunch bekommt. Alles sehr frisch und unglaublich preiswert!

Baden
Polen ist ein katholisches Land, Frauen sollten sich nicht "oben ohne" sonnen.

In der nähe der Mole am Strandaufgang Nr. 50 ist ein bewachter Strand mit Bademeistern und Rettungsdienst, dort ist auch ein Spielplatz für Kinder.

Stadtführung mal Anderls
Andreas Kasperski bietet 2 x täglich individuell zugeschnittene Führungen mit dem Auto durch die Dreistadt Danzig-Sopot- Gdynia an. Dauer: 4 Stunden, Preis: umgerechnet ca. 25 Euro pro Person - unbedingt empfehlenswert! Kontakt über die Tourist-Info in Danzig (s.u.) und demnächst über www.3citytour.com 
Oder Reservierung per SMS: +48 663 303 002

Mehr Infos

Tourist-Info in Danzig
Brama Wyżynna, Wały Jagiellońskie 2a
80-887 Gdańsk
Tel: (+48) 58 732 70 4 

Mail: info@pomorskie.travel
http://pomorskie.travel/de

Noch mehr Infos, auch zu Polen allgemein: www.polen.travel/de


Am Neptunbrunnen. In die Danziger Innenstadt kommt man von Brzezno gut mit dem Rad (Foto: © POT)

Hinweise: Dieser Artikel ist eine aktualisierte und erweiterte Fassung eines Artikels vom August 2013.

Die Reise nach Danzig wurde unterstützt vom Polnischen Fremdenverkehrsamt und der Deutschen Bahn AG. Er basiert allerdings selbstverständlich auf meiner eigenen persönlichen Meinung.