Sonntag, 8. Dezember 2013

Advent in Brighton: Kunst, Katzen und kreative Shops

Brighton Pier (Foto: © Maike Grunwald)
Zwei Stunden Schlaf. Das ist nicht viel. Aber als ich zum ersten Mal am Strand von Brighton stehe, bin ich auf einmal frisch wie Fisch vom Kutter. Hohe Wellen rauschen, Möwen rufen melancholisch. Die Sonne lässt den Brighton Pier vor mir erstrahlen. Während Hamburg unter Wasser steht und Berlin im Schnee versinkt, kann man hier am Strand sitzen.

Street Art von Banksy (Foto: © Maike Grunwald)
Auf mich wartet eine Stadt, die alles hat: das Meer, prächtige Architektur aus der Regency-Ära und viktorianischen Zeiten, Palmen sogar im Dezember, Weihnachtsshopping in den vielen kleinen liebevoll gestalteten und oft skurrilen Shops, gemütliche Pubs, laute Karaoke-Bars und tolle Restaurants, viele Katzen, schrille Transen, nette Rentner, Fischer, die vorher Fliesenleger waren und vor allem: Künstler über Künstler, die in der Adventszeit ihre Wohnzimmertüren öffnen, um bei den "Artists Open Houses" dahergelaufenen Fremden wie mir ihre Werke und Performances zu zeigen. 


Royal Pavilion: Die Wochenendhütte des Price Regent


Könnte auch in Indien stehen: Brightons Royal Pavilion (Foto: © www.visitbrighton.com)


Mein Abenteuer beginnt am völlig überkandidelten Royal Pavilion - ein von Palmen umgebener Palast im indischen Mogul-Stil, erbaut als Wochenend-Datsche für den Prince Regent (George IV). 

"Greeter" Hazel vor dem Royal Pavilion (Foto: © Maike Grunwald)

Hier treffe ich Hazel, meine "Begrüßerin". Die "Greeters" sind Einheimische, die Touristen ihre Stadt zeigen - und zwar kostenlos in ihrer Freizeit, nachdem man sie vorher auf den offiziellen Seiten von VisitBrighton gebucht hat. Warum die sowas machen? Hazel, die sogar Gebärdensprache kann, findet das Touri-Betüdeln einen schönen Ausgleich zu ihrem Beruf und ihrem Alltag als Mutter zweier Kinder. "Bei meiner Arbeit sitze ich ständig am Schreibtisch. Als 'Greeter' bin ich an der frischen Luft", sagt sie. "Außerdem bin ich mitten am Puls dieser lebhaften Stadt, merke, wenn neue Läden und Pubs aufmachen." Ursprünglich kommt die "Greeter"-Idee aus den USA, inzwischen gibt es ein weltweites Netzwerk.

Pubs in den historischen Lanes (Foto: © Maike Grunwald)

Der Royal Pavilion ist nicht nur eine der berühmtesten Sehenswürdigkeiten Brightons, sondern auch ein persönliches Must-See von Hazel. "Unbedingt reingehen!", sagt sie. "Außen ist alles im indischen Stil gehalten, innen hingegen ein Feuerwerk der Chinoiserie. Ich sage immer: Wenn man für sonst nichts anderes Zeit hat als Tourist, muss man wenigstens das in Brighton gesehen haben." Im Winter ist eine Schlittschuhbahn vor dem Pavilion aufgebaut.


Christmas Shopping in originellen Läden


Weihnachtsstyle im Second-Hand-Laden "Beyond Retro" (Foto: © Maike Grunwald)

Wir schlendern durch die historischen Stadtviertel North Laine und The Lanes, ein Netz aus kleinen Straßen mit unzähligen witzigen und süßen Shops, Cafés und Restaurants. Der Second-Hand-Laden "Beyond Retro" ist in einem alten Omnibus-Depot in der Vine Street eingerichtet. Neben erhaltenen Industrie-Elementen wie alten Barometern hängt Kleidung im Top-Zustand, sehr gut nach Stil und Größe sortiert und fantasievoll dekoriert. 

Neu genäht aus alten Stoffen: Kleider in der Boutique "Get Cutie" (Foto: © Maike Grunwald)


In der Boutique "Get Cutie" in der kleinen Gasse Kensington Gardens gibt es Kleider, Damenunterwäsche, Kinderkleidung und Kissen aus originellen Vintage-Stoffen, handgenäht in England, auch nach persönlichen Wünschen auf Bestellung. Im selben Gässchen lauert die süße Versuchung in Form von "Roly's Fudge". Hier kann man live sehen, wie Karamellen in unendlich vielen Geschmacksrichtungen per Hand auf Marmorplatten hergestellt werden. Der Franchise-Laden ist - im Unterschied zu seinen Nachbar-Shops - zwar Teil einer Kette, aber trotzdem süß. Und unheimlich beliebt: Schlange stehen ist normal.

Im "Rolys Fudge": Katie wiegt handgemachte Karamellen ab (Foto: © Maike Grunwald)


Richtig schön Weihnachsspeck anfuttern, das geht am Besten in der Duke Street. "Die könnte man auch Chocolate Street nennen", witzelt Hazel angesichts der vielen Schoko-Shops, Cafés und Tea Rooms mit Gebäck. Im Choccywoccydoodah stehen abenteuerliche Kuchen-Ungetüme im Ladenfenster - handgefertigt von einem Team aus Designern und Chocolateliers. Auch wenn es manchmal schwer zu glauben ist: Alles an den Kunstwerken, die gerne als Geschenk gekauft werden, ist essbar, selbst das Glitzerzeug. Für seine Luxusschokoladen in der Presse hoch gelobt ist der Pralinen-Shop Montezuma's, in dem es auch Schoko mit Chili und Pfeffer gibt.

Kleine Gassen mit freundliche Katzen



"Catcreep"-Begegnung: Nick und Nachbarskatze Sniper (Foto: © Maike Grunwald)


Typisch für Brighton sind die sehr schmalen Gassen, genannt "Twittens" (von "in between") oder auch "catcreeps" - wegen der vielen Katzen, die sich im (auch sehr hundefreundlichen!) Brighton pudelwohl fühlen. Wie auf ein Stichwort treffen wir in einem Gässchen ein besonders nettes Tigerwesen. "Die heißt Sniper ("Scharfschütze"), erklärt uns Nick, ein Anwohner, der zufällig herumsteht, und lässt die Katze ein Paar Kunststücke vorführen. Das ist typisch Brighton: Irgendwas gibt es immer zu sehen, und die Menschen sind unglaublich entspannt und freundlich.

Tanz-Show im Wohnzimmer des Künstlers


Kurze Zeit später mache ich mich auf die Suche nach dem Haus von Billy Cowie. Der Choreograf, Komponist, Musiker und Media-Künstler ist einer der Teilnehmer des Vorweihnachts-Events "Artists Open Houses": An den Wochenenden in der Adventszeit lassen Brightoner Künstler Neugierige in ihre Häuser, bewirten sie mit Tee und warmen Mince Pies und präsentieren ihre Arbeiten, die man meist auch gleich erwerben kann. Die wohl interessanteste Art, einzigartige Weihnachtsgeschenke zu finden.

Mit 3-D-Brille täuschend real: Virtuelle Tänzer in Billys Wohnzimmer (Foto: © Maike Grunwald)
Was mich in Billys Haus in der Centurion Street erwartet, ist ein beeindruckendes Erlebnis: Auftritte von virtuellen Tänzern aus Kyoto, auf deren Körper Zeichnungen der norddeutschen Künstlerin Silke Mansholt projeziert werden. Zeitgenössicher Tanz mit japanischen und indischen Einflüssen. Und das in seinem Wohnzimmer. 

Durch die 3-D-Brille sehen die gefilmten Tänzer täuschend echt aus. "Bei meinen Vorstellungen tanzen dann dieselben Tänzer neben ihren lebensgroßen Projektionen", erklärt der Künstler. "Der Zuschauer hat die Illusion, dass mehr Tänzer auf der Bühne stehen als in Wirklichkeit. Wenn dann am Ende das Licht angeht und nur noch halb so viele Leute auf der Bühne stehen, ist die Überraschung groß."

Video: Hier klicken, um Ausschnitte der Show zu sehen

Der Wahl-Brightoner schottischer Herkunft hat seine Arbeiten zwar schon in vergangenen Jahren bei den "Artists Open Houses" vorgestellt, aber noch nie in seinem eigenen Haus. Ist es nicht seltsam, so viele fremde Leute im Wohnzimmer zu haben?, will ich wissen. "Ja, schon", sagt er und lacht. "Meine Freunde haben sich gewundert, dass ich mitmache, ich bin eigentlich eher scheu. Aber ich denke, es ist gut für mich, fast wie eine Art Therapie." Er ist ein großer Fan der Artists Open Houses. "Das Publikum bekommt einen anderen Zugang zum Künstler und seiner Arbeit. Viele sind zum Beispiel überrascht, dass meine Tanzshows direkt hier in diesem Wohnzimmer entstehen."

In seinem Wohnzimmer hat Billy eine Verkaufsausstellung von Silkes Zeichnungen eingerichtet (Foto: © Maike Grunwald)


Zum Abschluss gibt es noch ein Spezial-Bonbon für mich als deutschen Gast: Eine Vorstellung von Silkes Kurzfilm "A German Grandchild's Funeral" (hier den Film sehen). Er zeigt auf  humorvolle Weise, wie sie mit ihrer Rolle als Deutsche, die in England lebt, klarkommt.

Als ich gut gelaunt in meine sympatische Pension zurücklaufe, denke ich: Wahnsinn, was ich in diesen wenigen Stunden alles gesehen und erlebt habe. Und wie nett die alle sind hier in Brighton! Ich höre wieder das Meer, die Möwen - und würde gerne bleiben.

Street Art an einem Pub am Bahnhof mit Porträts berühmter Musiker (Foto: © Maike Grunwald)

Weitere Tipps & Adressen für Brighton


Übernachten 


Fab Guest: Eine sympathische Mischung aus familiengeführtem Bed & Breakfast und stylischem Boutique-Hotel, liebevoll eingerichtet mit Antiquitäten, Bildern und Lampen von befreundeten Künstlern und Designern aus Brighton. Nette familiäre Atmosphäre, Inhaberin Laetitia und ihre Tochter Monique sind gern für ihre Gäste da. Kleine, aber intelligent und charmant gestaltete Zimmer, günstige Preise, gemütlicher Aufenthaltsraum mit Tee- und Nespressomaschine. Frühstück wird aufs Zimmer gebracht. Gute Lage in einer ruhigen Seitenstraße im lebendigen Viertel Kemp Town mit netten Pubs, Gay-Bars und kleinen Shops. www.fabguest.co.uk

Essen


Sehr lecker: Vegetarisches Restaurant in North Lane (Foto: © Maike Grunwald)

Wai Kika Moo Kau: Der Name des vegetarischen Restaurants im angesagten Viertel North Laine spricht sich aus wie "Why kick a Moo Cow" - "Warum eine Muh-Kuh treten?". Hier gibt es wirklich leckere internationale Küche aus regionalen Bio-Zutaten, auf Wunsch auch vegan oder glutenfrei, und Tee aus  fairem Handel. Angenehme Atmosphäre, günstige Preise, innen Bilder von Brightoner Künstlern. www.waikikamookau.co.uk

Giggling Squid: Thai-Restaurant im ebenfalls tollen historischen Viertel The Lanes. Freundlicher Service, relativ günstige Fisch-, Fleisch- und vegetarische Gerichte. Eingerichtet mit schönen schlichten alten Holzstühlen aus einer Kirche. www.gigglingsquid.com
 

Food for Friends: Preisgekröntes vegetarisches Restaurant in The Lanes mit Blick auf die schönen historischen Pubs The Black Lion und The Cricketers. Französische, italienische, englische Gerichte. Lecker: Knusprige Chips (= Pommes im englischen Stil, nicht aus Kartoffelmehl, sondern aus frischen Kartoffeln) mit hausgemachter Trüffel-Mayonaise. www.foodforfriends.com


Pubs


Brighton wimmelt nur so von schönen Pubs. Direkt um die Ecke des Fab Guest House in Kemp Town lockt z.B. der beliebte, sehr englischer Pub Black Dove mit witziger Deko, toller Atmosphäre, guten Cocktails und unzähligen Biersorten aus aller Welt. www.blackdovebrighton.com



Kunst, Kunsthandwerk, Weihnachtsgeschenke


Direkt am Strand: In den malerischen Kings Road Arches aus viktorianischer Zeit sind viele Galerien und kleine Shops, z.B.:

Castor + Pollux modern Artwork, www.castorandpollux.co.uk

Two Kats and A Cow Gallery, www.twokatsandacowgallery.co.uk

229 Ceramics, www.notonthehighstreet.com/229ceramics

Mehr Galerien im Artist Quarter: www.theartistquarter.co.uk

Etwas weiter Richtung Fischereimuseum gibt es Stände am Strand, z.B. 

i found you - handgehäkelte "Beach Knits": Jacken und Mäntel für Menschen und Hunde, Strickmuster zum Selbsthäkeln, www.i-foundyou.co.uk


Im Viertel North Laine laden es zahllose tolle Shops zum Geschenkekaufen ein, dazu Stände mit Schmuck und Kunsthandwerk, z.B. in der Gasse Kensington Gardens. Legendär ist Snoopers Paradise: Hunderte von Ständen mit einer tollen Mischung aus alt und neu - Antiquitäten, Selbstgemachtes, Kunst und Kitsch.

Auf den sporadischen Märkten der Makers Boutique gibt es Kunst, Handarbeiten und Kunsthandwerk aus Brighton (Infos & Termine unter www.makersboutique.co.uk ), z.B:

Schöne Kissen mit Brighton-Motiven, www.helterskeltershop.com

Tassen, Schlüsselanhänger und andere witzige Geschenke für Katzenfans (!) von Mad Old Cat Lady, www.madoldcatlady.com

Die Reise wurde unterstützt von VisitBrighton.
Dieser Artikel ist unabhängig davon Ausdruck meiner eigenen Meinung.

Dies ist ein überarbeiteter und aktualisierter Artikel, zuerst erschienen im Dezember 2013.

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