Neon Side Gallery (Foto: © Maike Grunwald) |
Wegen der vielen Extra-Events als „Europäische Kulturhauptstadt 2016“ ist die lebendige Studentenstadt am Wasser dieses Jahr besonders spannend. Aber auch sonst ist „WrocLove“, wie einige ihre Oderstadt liebevoll nennen, unbedingt einen Besuch wert, und zwar nicht nur für Kulturfreunde: Partygänger, Romantiker, Fans von gutem Essen, leckerem Bier, originellen Cafés, Jazz, sogar Zwergen – es gibt viele gute Gründe, Breslau zu besuchen. Hier sind elf davon.
1. Der Rynek und die romantische, lebendige Altstadt
Er gehört zu den größten und schönsten mittelalterlichen Marktplätzen in Polen: Der Rynek ("Ring") mit dem gotischen Rathaus und prächtigen Bürgerhäusern im Stil von Barock, Renaissance und Jugendstil. Wenn es um Romantik und Schönheit geht, kann Breslau locker mit berühmten Städten wie Prag mithalten. Allerdings ist es längst nicht so touristisch. Wer durch die malerischen Gassen schlendert, wundert sich darüber, dass diese Stadt im Vergleich noch immer ein Geheimtipp ist.
Bisher trifft man vor allem Studenten und andere Einwohner in den vielen Cafés, Restaurants, Cocktail-Bars und und Livemusik-Clubs. Nachdem Breslaus Altstadt nach dem zweiten Weltkrieg zu rund 70 Prozent zerstört war, bauten Wroclaws neue polnische Bewohner die Stadt mit viel Aufwand nach altem Vorbild wieder auf. Und so bieten heute wunderschöne historische Häuser die Kulisse für ein lebendiges Kultur- und Nachtleben.
Breslaus Altstadt (Foto: © POT) |
2. Der besondere Süßigkeitenladen
Mein allerliebster Lieblingsladen liegt direkt am Rathaus (Rynek 42): Der "Sklep cukierniczy" ("Laden der Zuckerbäcker") erinnert an ein altmodisches Tante-Emma-Lädchen mit Schwerpunkt Schokolade. Unter der handgemalten Retro-Reklame an der Wand türmt sich ein Sortiment aus klassisch-nostalgischen Pralinenschachteln, schön verpackten Schokoladen und Süßwaren jeder Art.
Neben den zarten Pralinen der Marke "Wedel" bekommt man hier auch köstliche Schoko-Früchtchen, die lose nach Gewicht verkauft werden: schokoladenumhüllte Johannisbeeren, Kirschen, Moosbeeren, Erdbeeren, Schoko-Rhabarber-, -Feigen-, und -Dattelstückchen... Es gibt mindestens 30 Sorten, aus der man sich seine persönliche Lieblings-Mischung zusammenstellen kann.
Jede Schokofrucht-Bonbon-Sorte variiert vom Preis, aber alle sind günstig: Meine individuelle Süßigkeiten-Tüte mit 200 Gramm Schoko-Früchten habe ich für weniger als 2,50 Euro bekommen.
Das Schausfenster des Zuckerladens (Foto: © Maike Grunwald) |
3. Die Wasser-Oasen: Inseln, Brücken, Uferwege
Zwölf Inseln und mehr als 100 Brücken hat die Wasser-Stadt Wroclaw, die von der Oder und ihren Nebenflüssen geprägt ist. Die Dominsel und die Sandinsel sind mit ihren acht prächtigen gotischen und barocken Kirchen eine Oase der Ruhe – und doch nur einen kurzen Fußweg vom Marktplatz mit seinen vielen Kneipen und Cafés entfernt.
Verliebte schlendern am Ufer entlang, Boote laden zu Touren auf dem Wasser ein und Kanufahrer genießen den Blick auf die Dominsel.
Blick auf die Dominsel (Foto: © Maike Grunwald) |
4. "Krasnale": Überall lustige Zwerge!
Beim Schlendern durch die Stadt lohnt sich ein Blick nach unten. Dann kann man die kleinsten Wahrzeichen von Wroclaw sehen: winzige Zwerge. „Krasnale“ heißen sie auf Polnisch. In der ganzen Stadt stehen sie herum und bringen Städtereisende zum Niederknieen, um sie zu fotografieren.
Die lustigen Bronze-Wichte sehen harmlos aus, haben aber einen politischen Ursprung: In den Achzigerjahren übte die Oppositionsbewegung „Orange Alternative“ mit spontanen Kunst-Aktionen Kritik am sozialistischen Regime in Polen aus, etwa mit Demonstrationen in Zwergenkostümen.
Dabei stellten die Künstler auch einen gusseisernen Zwerg in der Altstadt von Wrocław auf. „Papa Krasnal“ in der Świdnicka-Straße erinnert daran. 2001 begannen Studenten, Zwerge aufzustellen – und die Krasnale vermehrten sich. Inwischen gibt es mehr als 300 der Breslauer Zwerge. Sie haben einen eigenen Wikipedia-Eintrag und es gibt eine offizielle Website mit Krasnalen-Stadtplan in vier Sprachen.
Einer von Breslaus 300 Zwergen (Foto: © Maike Grunwald) |
5. Die charmanten Cafés und coolen Clubs
Breslau ist spätestens seit 1702 Studentenstadt. Eigentlich ist die Universität sogar noch älter, denn anno 1505 beschloss der böhmische Landesherr, König Vladislav II., ihre Gründung. Nachdem sie wegen Kriegen und anderen Hindernissen zunächst nicht wirklich errichtet werden konnte, gründete sie Kaiser Leopold I. fast 200 Jahre später aus verschiedenen Vorgängereinrichtungen noch einmal.
Kurz gesagt: Wroclaw ist von der Uni geprägt, deren Geschichte so wechselvoll ist wie die der Stadt. Und das bedeutet: An jeder Ecke gibt es Cafés, Jazz-Kneipen, Clubs und Restaurants.
Die höchste Dichte ist am Rynek in der Altstadt, aber auch Richtung Universität gibt es jede Menge Lokale. Zum Beispiel das zauberhafte Art Café Kalambur (ul. Kużnicza 29a): Tagsüber Café, nachts Kneipe und Musik-Bar, mit vegetarischem Essen und ganz im Jugendstil gehalten, von den floral gemusterten bunten Fensterscheiben bis hin zu den Art-Deco-Lampen.
Fenster im ArtCafe Kalambur (Foto: © Maike Grunwald) |
Den besten Kuchen der Stadt gibt es Insidern zufolge im Café Soul (Plac Solny 4), während sich im Café Literatka in der Altstadt am Rynek Literaten und sonstige Intellektuelle tummeln.
6. Shopping – modern und malerisch
Polens viertgrößte Stadt ist ideal für ausgedehnte Einkaufstouren. Austoben können sich Shopaholics zum Beispiel in den großen Einkaufszentren mit jeweils 100 bis 200 Geschäften, wie etwa Magnolia Park, Galeria Dominikańska oder das ehemalige Warenhaus Wertheim, heute Renoma.
Modeboutiquen und hübsche Geschäfte jeglicher Art säumen die Świdnicka-Straße, bekannt als Breslaus Haupteinkaufsstraße. Schön ist ein Bummel durch die malerische Stare-Jatki-Straße in der Altstadt.
Bernsteinschmuck in einer kleinen Ladengalerie (Foto: © Maike Grunwald) |
In den alten Gebäuden der ehemaligen Schlachter-Gasse haben sich kleine Galerien und Geschäfte für Souvenirs und Kunsthandwerk niedergelassen, die Bernsteinschmuck, Keramik, Schnitzereien, Weidenflechtprodukte und Bernsteinschmuck in ihren Auslagen anbieten.
7. Musik und mehr: Events ohne Ende
Die Studentenstadt Breslau ist ohnehin für ihr reiches Kulturangebot bekannt. Als Europäische Kulturhauptstadt 2016 kommen noch zahlreiche Extra-Events dazu. Am 1. Mai performen zum Beispiel Tausende Gitarrenspieler „Hey Joe“ von Jimi Hendrix auf dem Marktplatz. Vom 30. April bis 2. Oktober bieten jedes Wochenende Open-Air-Bühnen an 10 Orten in den verschiedenen Parks der Stadt ein vielseitiges Programm und am 10. Dezember wird der Europäische Filmpreis in Breslau verliehen. Mehr Termine gibt es unter anderem auf der Website der Europäischen Kulturhauptstadt 2016.
Dazu kommen die üblichen Kultur-Highlights der Stadt, darunter Live-Konzerte in Kneipen, Aufführungen in den Theatern und der Oper, alljährliche Festivals und tolle Museen wie das Städtische Museum im alten Stadtschloss.
Vorm Café Kalambur (Foto: © Maike Grunwald) |
8. Der Neon-Hof: Retro-Reklame und bunte Cocktails
In der "Neon Side Gallery" (u. Ruska 46c) leuchten Neon-Werbetafeln aus den Siebziger- und Achzigerjahren von den Mauern eines Hinterhofs. Die Stiftung "Neon Side" hat die alten Schilder über Jahre gesucht, gekauft, repariert und neu belebt.
Weitere Sammelstücke schmücken das Café, das sich abends in eine Bar verwandelt, nachts füllt sich der Galerie-Innenhof mit Partygängern. Im Keller befindet sich ein Techno-Club.
Im Café der Neon Side Gallery (Foto: © Maike Grunwald) |
9. Leckere Küche aus ganz Polen
Die heutigen Bewohner von Wroclaw stammen aus verschiedenen Regionen Polens und brachten ihre eigenen Traditionen mit. Und so kann man sich in Breslau durch die gesamte polnische Küche schlemmen, die zu oft Unrecht unterschätzt wird.
Meine Lieblingspezialitäten (als Vegetarier) sind zum Beispiel: Oscypek, ein salziger Räucher-Schafskäse aus der Tatraregion von Zakopane, der traditionell als heißer Grillkäse mit Preißelbeeren serviert wird, Pierogi Ruskie, typisch polnische Teigtaschen mit Kartoffel-Frischkäse-Zwiebelfüllung, und natürlich die sündhaft leckeren Kuchen und Torten, für die polnische Bäcker bekannt sind.
10. Mit 80 Motoren: Die Ganzjahres-Weihnachtskrippe
Ein weiterer Geheimtipp verbirgt sich in der Kirche St. Maria auf dem Sande auf der kleinen Oderinsel, auch Sandkirche genannt, eine der ältesten gotischen Kirchen Polens.
In ihrer etwas versteckt liegenden so genannten "Kapelle der Blinden und Tauben" ist das ganze Jahr über ein riesiges Krippenspiel aufgebaut, das in seiner Einzigartigkeit jeden zum Staunen bringt. Rings um das klassische Ensemble mit dem Jesuskind, Maria und Josef versammelt sich eine unglaublichen Zahl an verschiedensten Plastik-, Holz- und Blechfiguren, darunter auch Micky Maus und Pinocchio.
Wenn Besucher kommen, erweckt eine Nonne das Ensemble mit einem Knopfdruck zum Leben: Musik ertönt und die Figuren beginnen auf Wippen zu spielen, Glöckchen zu schlagen oder zu tanzen. Mehr als 80 kleine Motoren sollen in der Anlage verborgen sein.
Dieses einmalige Krippenspiel ist das Werk des Pfarrers der Sandkirche und seiner Schützlinge: Seit über 30 Jahren arbeitet er gemeinsam mit blinden und gehörlosen Kindern an ihr. Mit einer kleinen Spende können sich Besucher für die Vorführung bedanken und an dem Projekt beteiligen.
11. Die viele Freiluft-Kunst
Fast überall gibt es in Breslaus Stadtbild Skulpturen zu entdecken, mal ganz abgesehen von den 300 kleinen Zwergen. Die meisten sind keine Ehren- oder Denkmale im klassischen Sinn, sondern einfach nur Kunst.
Eins meiner Favoriten allerdings ist sehr wohl ein Gedenk- oder Dankesmal: Die Bronzeplastik einer Gruppe von lebensgroßen Gänsen, Schweinen und anderen Bauernhoftieren in der Stare Jatki, wo früher die Schlachter ihr Fleisch verkauften. "Den Schlachttieren zur Ehren – die Konsumenten" lautet die Inschrift einer kleinen Tafel am Fuße des "Denkmals zu Ehren der Schlachttiere" von Piotr Wieczorek, das an die Geschichte des Ortes und die Tiere erinnern soll. Die blanken Stellen an ihren Bronzerücken zeugen von vielen Streicheleinheiten.
"Denkmal zu Ehren der Schlachttiere" (Foto: © Maike Grunwald) |
Weniger traurig, aber ebenso beeindruckend ist das "Denkmal der Anonymen Spaziergänger" an der Kreuzung der Straßen ul. Piłsudskiego und Świdnicka vor dem neuen Musikforum. Die ebenfalls nahezu lebensgroßen Figuren scheinen aus dem Boden herauszusteigen oder in ihm zu versinken.
"Denkmal der anonymen Passanten" (Foto: © Maike Grunwald) |
"Denkmal der anonymen Passanten" (Foto: © Maike Grunwald) |
Eine Liste mit weiteren Freilicht-Skulpturen mit ihren Standorten in Breslau findet Ihr hier.
Mehr Infos unter www.polen.travel
Eingang zu einem der vielen Gärten und Parks in Breslau (Foto: © Maike Grunwald) |
Auszüge dieses Artikels sind zuvor im Online-Reisemagazin Travelbook im Artikel "7 gute Gründe, warum man unbedingt nach Breslau sollte" erschienen.
Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt vom polnischen Fremdenverkehrsamt. Dieser Text beruht jedoch auf meiner eigenen Meinung.
Alle Texte und Fotos © Maike Grunwald (sofern nicht anders ausgewiesen). Abdruck und Online-Nutzung nur nach Absprache und gegen Honorar, Kontakt: www.maikegrunwald.com