Kielce hat einen schönen Dom und einen prächtigen barocken Bischofspalast, in dem sich ein Museum befindet (Foto: Maike Grunwald) |
Polnischer Pop mit Feuerwerk und Lichtshows: Hexensabbat-Konzert im Amphitheater in Kielce (Foto: Maike Grunwald) |
Das Konzert im Amphitheater stand unter dem Motto eines Hexensabbats. Es war ein wildes Feuerwerk polnischer Popkunst. Hexen auf Motorrädern, verrückte Lightshows, Tanzeinlagen mit Heeren von Tänzern, Leuchtraketen und Böller, spärlich bekleidete Moderatorinnen im Sado-Barbie-Look - ein bisschen wie der Eurovision Song Contest hoch zehn. Wir kannten zwar keinen der polnischen Superstars, konnten uns der unschlagbaren Stimmung des Publikums aber kaum entziehen.
Beim Hexen-Stadtfest in Kielce gibt es Schnitzereien und anderes Kunsthandwerk (Foto: Maike Grunwald) |
Ruhiger ging es gestern Nachmittag in der Fußgängerzone der Stadt zu, wo zur Feier des Hexenfestes zahlreiche Stände aufgebaut waren. Es gab kulinarische Spezialitäten der Region, wie Honig, Ziegenkäse und deftige Wurst, gemischt mit Ständen, auf denen Kunsthandwerk, Schnitzereien, Schmuck und altmodische polnische Oma-Kopftücher verkauft wurden, die jetzt wieder modern sind.
Regionale Spezialitäten aus dem Heiligenkreuzgebirge: Honig und Schmuckgebinde aus Knoblauch (Foto: Maike Grunwald) |
Kielce ist keine besonders prächtige Stadt, im Vergleich zu Krakau oder Danzig gibt es wenig Substanz, entspreched weniger hat die Stadt vom großen Kuchen der Sanierungsgelder abbekommen. Es gibt aber einen sehr schönen Dom und ein Nationalmuseum, das in einem prunkvollen, barocken Bischofspalast eingerichtet ist. Außerdem hat die Universitäts- und Industriestadt eine eigenartige Geschichte. Im zweiten Weltkrieg war sie ein Zentrum des Widerstandes gegen die Besetzung durch die Wehrmacht. Kurz nach Kriegsende erlangte die Stadt jedoch durch das Progrom von Kielce traurige Berühmtheit, als ein wilder Mob 42 jüdische Holocaust-Überlebende tötete und ungefähr doppelt so viele verletzte.
Das Kloster von Stopnica aus dem 17. Jh. hat einen wunderschönen Garten, in dem die Ruinen der zerstörten Kapelle stehen (Foto: Maike Grunwald) |
Wie im Kloster von Stopnica, in dem wir auf dem Weg zum Flughafen Krakau einen Zwischenstopp einlegen. Das Kloster am Rande der Świętokrzyskie-Region wurde 1633 gegründet. Heute leben 12 Mönche hier, die sich "Väter des Herzens" nennen. Die Ruinen der ursprüngliche Kapelle des Klosters, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, wirken geradezu malerisch in dem gepflegten Garten.
Pater Stanisław zeigt uns die "Tränen des Hiob", eine indonesische Planze, aus deren getrockneten Samen die Novizen Rosenkränze fertigen (Foto: Maike Grunwald) |
Er kennt so viele Geschichten, dass uns der Kopf schwirrt, von einem Adligen, der sich nach seiner Auslösung aus dem Heiligen Land in Stopnica ein Harem gründete, bis hin zu der kürzlich verstorbenen Kloster-Kuh, die angeblich Kakao gab. Von den Gräueln, die in dieser Gegend während des Zweiten Weltkrieges stattgefunden haben müssen - Stopnica hatte früher eine große jüdische Gemeinde - erwähnt er nichts, vielleicht aus Höflichkeit den deutschen Gästen gegenüber.
Das Leben dieses Mannes könnte mit meinem kaum weniger gemein haben, denke ich, als er erzählt, dass er mit 15 ins Kloster ging und seit 23 Jahren hier in Stopnica lebt. "Jetzt bin ich 78 Jahre alt. Ich hoffe, der Chef da oben gewährt mir Eintritt in den Himmel, aber noch ist es nicht so weit", sagt er lächelnd, als ich ihn nach seienem Alter frage, und zeigt nach oben. Zum Abschied schenkt er uns Rosenkränze, die seine Novizen aus selbst gezogenen, getrockneten Pflanzensamen aufgefädelt haben. "Sie sind schon gesegnet", versichert er uns. Ich bin gerührt und heimlich dankbar, dass wir zwei Katholikinnen in unser Gruppe haben, so dass das wertvolle Geschenk noch an die richtige Adresse gerät. Das Trinkgeld, das wir unserer Reiseführerin als Dankeschön überreichten, landet dafür bei Pater Stanisław Dadej.
Meine bleibenden Eindrücke? Die Gastfreundschaft der Polen ist berührend, ihre optimistische Entschlossenheit muss man bewundern. Und: Das Heiligenkreuzgebirge muss man schnell besuchen, bevor es seine tüchtigen Bewohner allzusehr verändert und modernisiert haben.
© Maike Grunwald, www.maikegrunwald.com
Hier geht's zu den weiteren Folgen über die Region Świętokrzyskie:
Polen, 1. Tag: Was bitte ist Świętokrzyskie?
Polen, 2. Tag: Hexen & Mönche
Polen, 3. Tag: Ritter, Pferde und ein Paradies
Polen, 4.Tag: Abschied von Świętokrzyskie
Diese Reise wurde unterstützt vom Polnischen Fremdenverkehrsamt.