Dienstag, 12. August 2014

Zum Weltelefantentag: Zelten zwischen Wüsten-Dumbos

Vor den gigantischen Bergen und Anabäumen wirken die Riesen klein (Foto © Maike Grunwald)
(Reise, Namibia, Maike Grunwald) Zum internationalen Tag des Elefanten rufen Tierschutzorganisationen auf der ganzen Welt zum Schutz der grauen Riesen auf, die wegen ihres Elfenbeins immer noch von Wilderern getötet werden. Auch ihr Lebensraum ist durch den Menschen zunehmend bedroht. Dabei sind sie unglaublich anpassungsfähig: In Namibia gibt es sogar Wüstenelefanten, die sich den lebensfeindlichen Bedingungen angepasst haben. 
Wüstenelefantenfamilie sucht Schutz im spärlichen Schatten (Foto © Maike Grunwald)

Ich habe die Wüsten-Dumbos in Namibia besucht und dabei Ranger kennen gelernt, die fantastische Naturschutz-Safaris auf die Beine stellen - zum Schutz der seltenen Wüstenelefanten, bedrohten Spitzmaulnashörnern und vielen anderen Tieren. Zum Weltelefantentag zeige ich Euch heute meine Wüstenelefanten-Bilder aus Namibia und meine Reportage über die aufregende Zelt-Safari, erschienen in der "Welt am Sonntag".


Camping-Safari: Auf den Spuren der Wüstenelefanten


Im staubtrockenen, menschenleeren Norden Namibias liegt das Reich der Wüstenelefanten. Die Suche nach ihnen, fernab des Safari-Tourismus, ist ein echtes Abenteuer.

Autobahn der Dickhäuter: Das trockene Flussbett des Hoanib (Foto © Maike Grunwald)

Gestern Nacht konnte ich nicht schlafen, in meinem Zelt mitten in der Namibwüste, irgendwo im Nirgendwo zwischen dem Etosha- und dem Skelettküstenpark im Nordwesten Nambias. Deutlich hörte ich einen Elefanten dicht an meinem kleinen Zelt herumschnüffeln. Der Rat der Einheimischen, die uns auf unserer Camping-Safari begleiten, klang mir noch im Ohr: „Achtet darauf, dass die Waschtischchen neben euren Zelten leer sind – Wasser lockt die Elefanten an!“

Erst im Licht der Morgensonne wird mir klar: Es war nur der Wind, der die schnüffelnden Geräusche verursacht und die Zeltplane an meine Beine gedrückt hat. Stetig weht er von der Skelettküste her, sie ist nur 40 Kilometer entfernt von unserem heutigen Lager in einem ausgetrockneten Flussbett ohne Namen.


Unser Camp mitten in der Wüste (Foto © Maike Grunwald)

Elefanten, Löwen und Hyänen

Aber Elefanten gibt es hier wirklich. Auch wenn es kaum vorstellbar ist, dass in dieser spärlich mit Gift- und Dornbüschen gesprenkelten Mondlandschaft überhaupt etwas lebt, geschweige denn durstige Dickhäuter. 190 Liter Wasser braucht ein afrikanischer Elefant am Tag, heißt es. Davon können Rüsseltiere hier nur träumen. Aber gestern Abend beim Wüstenspaziergang ums Camp hat uns unser Guide Douw Steyn ihre Spuren gezeigt. Matthias und Magnes, Helfer von hier, haben das Lagerfeuer die ganze Nacht brennen lassen, wegen der Löwen und Hyänen, aber vor allem, um die grauen Riesen fernzuhalten.

Mopane und Anabäume spenden Schatten und Nahrung (Foto © Maike Grunwald)

Größere Füße, kleinere Gruppen

Wüstenelefanten sind mysteriöse Tiere, sagen selbst wissenschaftliche Experten. Sie sind nicht als eigene Art klassifiziert, haben sich aber im Laufe der Generationen an die lebensfeindlichen Bedingungen angepasst. Ihre Fußsohlen sind größer, so dass sie nicht so leicht im Sand einsinken. Sie sind schlanker und fitter, weil sie weniger Nahrung finden und weiter wandern müssen. Sie legen Rekordstrecken zurück, kommen bis zu fünf Tage ohne Wasser aus und gehen weniger zerstörerisch mit den Bäumen um, die ihre Nahrungsquelle sind. 

Während man anderorts 300-köpfige Herden sieht, sind wüstenadaptierte Elefanten in kleinen Gruppen unterwegs, oft nur die Matriarchin mit zwei oder drei Nachkommen. „Was wir über sie wissen, ist nur die Spitze des Eisbergs“, sagt der Experte Dr. Julian Fennessy, Direktor der Namibia Nature Foundation. „Es besteht noch enormer Forschungsbedarf.“ Weniger als 600 wüstenadaptierte Elefanten gibt es weltweit, und abgesehen von einer kleinen Population an der Grenze zu Mali leben sie alle in dieser kargen Gegend der Kunene-Region.

70 % ihrer Zeit verbringen sie in Trockenflussbetten, wo sie verstecktes Wasser finden (Foto © Maike Grunwald)

Keine Menschen, aber überraschend viele Tiere 

Wir hören wieder Löwen brüllen, während wir am Campingtisch ein englisches Frühstück mit Rührei vertilgen. Die Sonne lässt das Rot des Vulkangesteins aufleuchten.„Hier in der Wildnis ist das wahre Afrika“, schwärmt Douw. Keinen anderen Menschen, kein Fahrzeug haben wir gesehen, seit wir gestern mit dem Land Rover die komfortable Lodge des Desert Rhino Camp verlassen haben. Dafür phantastische Landschaften, Fata Morganas, endemische Wüstenpflanzen und mehr Tiere, als man in dieser kargen Gegend je vermuten würde: Oryx-Antilopen, Kudus, Springbock-Gazellen, seltene Hartmann-Bergzebras, Schakale, Wüstenhasen, Perlhühner und natürlich Geier. 

Ein großes Spitzmaulnashorn stand plötzlich 20 Meter neben unserem Fahrzeug. Die gefährdeten Tiere, die Naturtouristen hier weltweit einzigartig in echter Freiheit sehen und sogar zu Fuß beobachten können, sind die so genannten „Schirmherren“ des 450.000 Hektar großen Palmwag-Konzessionsgebietes, in dem wir uns befinden: Sie genießen den besonderen Schutz der Namibischen Regierung und der NGO "Save The Rhino Trust". Mit beiden arbeitet „Wilderness Safaris“, Pächter des staatseigenen Naturschutzgebietes, eng zusammen.

Tourismus als Naturschutz


Zwei unserer Begleiter: Magnes und Matthias von Wilderness Safaris (Foto © Maike Grunwald)
Davon profitieren auch die Wüstenelefanten. Im Palmwag-Gebiet sind sie von der Wilderei, die in den letzten Jahren brutal außer Kontrolle geraten ist,  verschont geblieben. „Das liegt an der Überwachung durch die Tracker des Save the Rhino Trust und am Naturtourismus, von dem die örtliche Bevölkerung natürlich profitiert“, hat uns Christiaan Bakkes, verantwortlicher Ranger, im Desert Rhino Camp erzählt. Selbst legale Jagd, ein wichtiger Wirtschaftszweig in Namibia, ist im Schutzgebiet nicht erlaubt. Die Tiere dürfen nicht gestört werden, Besucher brauchen eine Lizenz.



Busch-Klo an der Autobahn der Dickhäuter 

Ein letzter Gang zur Busch-Toilette (Loch im Sand mit Sitz und Sichtschutz), eine schnelle Eimer-Dusche und wir brechen auf. Douw kennt jede Pflanze, jedes Tier. Bald verändert sich die Landschaft: Das rote Vulkangestein weicht grauem Gneis. Berge aus 1,8 Millonen Jahre altem Gestein ragen seitlich auf. Klippspringer, kleine, monogame Antilopen, kreuzen unseren Weg. Eine Horde Bärenpaviane wirkt seltsam deplaziert in dieser Trockenheit. Als Straße dient uns das Bett des Mudorib-Flusses, der vor drei Jahren zuletzt Wasser führte.

Wüstenelefantenmütter pumpen sich mit dem Rüssel Wasser aus dem Magen, um die Kleinen zu tränken (Foto © Maike Grunwald)
„Willkommen auf der Autobahn für Wüstenelefanten“, ruft Douw, als wir im Hoanib-Trockenfluss angelangt sind, ganz im Norden der Region, die in Kolonialzeiten Damaraland genannt wurde. „Hier wandern sie entlang, wenn sie an der Quelle aufgetankt haben. Sie fressen unentwegt bis zur nächsten Wasserstelle, wofür sie manchmal über 70 Kilometer zurücklegen müssen.“ Bei großer Trockenheit graben sie im Sand nach Wasseradern, wobei ihnen nicht nur ihr hervorragender Geruchssinn, sondern auch ihr sprichwörtliches Gedächnis hilft.„Gorras“ nennt man so entstandene  Wasserlöcher, die auch andere Tiere anziehen.

Zunächst sehen wir majestätische Giraffen. Helle Sanddünen türmen sich auf, der Wind hat sie mit Wellenmustern bemalt. Ich denke schon, Douw hat uns veräppelt, als er uns diese Wüste als Dumbo-Paradies verkaufen wollte, da sehe ich ihn: einen großen Elefanten. Zielstrebig schreitet er uns entgegen. „Das ist Policeman“, erklärt Douw. „Wir nennen ihn so, weil er stets die Gegend patrolliert.“ Jeder Wüstenelefant ist registriert, viele sind mit einem GPS-Senderhalsband ausgestattet. Daher weiß man, dass männliche Wüstenelefanten ein Stammrevier von mehr als 17.000 qkm haben können. Als Policeman an uns vorbeizieht, hält unser erfahrener Guide einen Abstand von etwa 50 Metern ein und achtet darauf, dass der Wind unseren Geruch nicht zu ihm trägt. „Diese Tiere sind Menschen nicht gewöhnt“, sagt er,„Wir wollen sie nicht irritieren.“ 


Sie schlafen im Liegen und essen Anabaumfrüchte

Wüstenelefantenbaby beim Mopane-Mampfen (Foto © Maike Grunwald)
Von nun an sehen wir häufig Wüstenelefanten, bald auch kleine Herden mit süßen Kälbern. Zuerst „Clarissas Gruppe“, die Namensgeberin mit ihren vier Nachkommen. Sie recken sich, um die nahrhaften Samenschoten der oft 40 Meter hohen Anabäume zu erreichen, die hier im Flussbett reichlich wachsen und die grauen Riesen geradezu klein erscheinen lassen. Ein Junior liegt wie tot am Boden –  auch das ist typisch für Wüstenelefanten: „Selbst die erwachsenen Tiere schlafen gern im Liegen“, erklärt uns Douw. „Elefanten ruhen eigentlich im Stehen, aber diese haben ja ein härteres Leben.“ 

Sie lieben die Früchte der Anabäume (Foto © Maike Grunwald)
Da Wüstenelefanten nicht baden können, um sich abzukühlen, müssen sie erfinderischer sein. „Ich habe gesehen, wie Elefantenmütter den Rüssel in den Mund stecken und Wasser hochwürgen, um es ihren Babys hinter die Ohren zu sprühen“, erzählt Douw. Wir beobachten, wie sie ihre Kleinen stets im Schatten halten, und sei es ihr eigener. Ein winziges Kalb, noch nicht einmal zwei Monate alt, wird von seiner Mutter besonders umsorgt. Es passt beim Umhergehen genau unter ihren Bauch – der perfekte Sonnenschutz. Wir müssen lachen und sind gleichzeitig gerührt vom Anblick dieser sanften Riesen. Wilde Tiere, frei in ihrem Habitat, mitten in der Wüste – ein kleines Wunder, ein Stück heile Welt, und wir sind Teil davon, für den Moment.

Wunderschöne Namib-Wüste  (Foto © Maike Grunwald)

Diese Reportage erschien in leicht veränderter und gekürzter Fassung in: Welt am Sonntag, 28. Oktober 2013


Blogartikel - Flashback: 

Zum Weltgiraffentag: Fotos von Wüstengiraffen

Seltenes Spitzmaulnashorn: Wie Natursafaris Tiere schützen

Namibia, Teil 3: Zelten bei den Wüstenlöwen

Namibia, Teil 2: Zu Fuß auf Nashornpirsch

Namibia, Teil 1: Mit der Cessna in die Wildnis 


In der bombastischen Landschaft wirken die Riesen wie Zwerge (Foto © Maike Grunwald)


Links:

Anreise: Flug nach Windhoek, von dort mit „Wilderness Air“ in der Cessna in einer Stunde zum Palmwag-Landestreifen.


Unterkunft: Das Desert Rhino Camp ist idealer Ausgangspunkt für eine Camping-Safari zu den Wüstenelefanten, www.wilderness-safaris.com

Safari-Anbieter:
Elefant Tours bietet individuell zugeschnittene Campingsafaris zu den Wüstenelefanten an, auch für Selbstfahrer. Preisbeispiel: Geführte Campingsafari „Wüstenelefanten, Spitzmaulnashörner und Ovahimbas", 4 Tage/ 3 Nächte, ab ca. 700 € pP, www.elefant-tours.de

Beste Reisezeit: In der Trockenzeit von Juli bis November sind Elefanten und alle anderen Tiere am besten zu sehen.

Nicht vergessen: Unauffällige sand- und khakifarbene Kleidung, Busch-Hut (auch als Sonnenschutz), Fernglas und Teleobjektiv, Vogelkundebuch, warme Fleecejacke für die kalten Wüstennächte, Mückenschutz und „Standby“-Malariamedikation, Sonnenschutz mit Faktor 30 plus.

Achtung: In der Wildnis des Palmwag-Gebiets gibt es weder Handyempfang noch Internet (auch nicht im Desert Rhino Camp).

Naturschutz: Mit einer Spende an www.savetherhinotrust.org unterstützen Sie die ganze Region.

 
Namibia: Mehr Infos auf den offiziellen Seiten des Namibia Tourism Board
Wüstenelefanten leben in kleineren Gruppen als ihre Artgenossen in anderen Gebieten (Foto © Maike Grunwald)

Die Reise wurde unterstützt von Namibia Tourism Board, Elefant Tours und Air Namibia.